Sonntag, 19. Januar 2014

Da wo die Sonne nie hinscheint

1. Es kommt sowieso anders und 2. als ICH denke! 

Chemnitz. An einem bewölktem Sonntagmittag im Sommer 2013 steige ich aus dem Zug aus Leipzig. Eine lange Partynacht lag hinter mir und ich sehnte mich nach meiner bequemen Couch, um dort den Rest des Katertages zu verbringen. Also nichts wie nach Hause!

Chemnitz Hauptbahnhof | nicht der schönste Ort der Welt

In Anbetracht des annehmbaren Wetters und der gediegenen Tageszeit, entschließe ich mich kurzer Hand nicht auf den nächsten Anschlussbus zu warten [wäre erst nach 25 Minuten gekommen], sondern das Stückchen nach Hause zu laufen. Ich wohne auf der "guten Seite" vom Sonnenberg - das "Problemviertel" von Chemnitz. Vom Hauptbahnhof aus muss man einen riesigen Bogen laufen, um da hin zu kommen, wo ich hin will. Doch es gibt noch einen anderen, viel kürzeren Weg, welcher durch einen Tunnel unter dem Bahnhof führt und zurecht ziemlich verrufen ist. Man sagt, dass dort regelmäßig Drogen gedielt, Leute zusammen geschlagen oder überfallen werden. Einmal soll dort sogar ein Mensch grausam hingerichtet worden sein. Deshalb meide ich diesen Weg in der Regel und warte lieber auf den Bus. Aber nicht heute, denn um diese Tageszeit wird einem ja bestimmt nichts passieren!

Ich gehe also mit einem positiven Gefühl und mit flottem Schritt auf den Tunneleingang zu. In der Röhre waren mehrere Leute zu sehen, welche mir aber alle ziemlich normal vorkommen. Nur ein Mann am anderen Ende des Tunnels scheint mir Probleme zu haben, sich auf seinen Beinen zu halten. Doch er ist jain Richtung Ausgang unterwegs und wird den Tunnel bestimmt vor mir verlassen. Entschlossen nehme ich noch einen letzten Atemzug frischer, noch nicht nach Urin riechender Luft, bis ich den von Graffiti geschmückten Durchgang betrete.

Ich schaute mir jeden, der mir entgegenkommt, genau an. So langsam ergreift mich doch ein leicht beklommenes Gefühl, sodass ich auch schaue, ob irgend jemand hinter mir läuft. Doch da ist niemand, außer die mir zuvor entgegengekommenen Leute, die gerade den Tunnel verlassen.

Vor mir in etwa 50m Entfernung war nun nur noch besagter Mann, der mit sich selbst stark zu kämpfen hatte. Ganz schön gruselig, wie er sich an der Wand entlang hangelt und zwischendurch immer wieder hinhockt. Der ist bestimmt total zugedröhnt. Oh man, wieso bin ich nicht einfach den längeren Weg gelaufen?! Puh. Positiv denken! Du schaffst das, Laura! Mein Tempo reduziere ich auf die Hälfte - in der Hoffnung, dass dieser Junkie das Tunnelende vielleicht doch noch vor mir erreicht. Im Prinzip ist mir allerdings klar, dass diese Möglichkeit angesichts seines Zustands gleich gen Null geht.

Also wäge ich meine Chancen ab... Wenn ich noch langsamer laufe, werde ich wohl nie ankommen - also abgelehnt. Wenn ich jetzt die Beine in die Hand nehme und einfach ganz schnell an ihm vorbei renne, wird er aber womöglich erst Recht auf mich aufmerksam und mobilisiert womöglich seine letzten Kräfte, um mich zu überwältigen - auch eher suboptimal. Habe ich irgendetwas bei mir, womit ich mich im Fall des Falles wehren könnte? Eher nicht, außer mein Gepäck, welches ich höchstens zum um mich Schlagen nutzen könnte.

Aber wird dieses Häufchen Elend, welches gerade schon wieder in der Hocke am Boden ist, mich denn überhaupt wahrnehmen? Plötzlich bekomme ich ein schlechtes Gewissen und überlege, ob und wie ich ihm eventuell helfen könnte. Doch zu Gunsten meiner Sicherheit entscheide ich mich letztlich dafür, einfach schnellen Schrittes an ihm vorbei zu laufen und dabei einen möglichst großen Bogen um ihn herum zu nehmen.

Der Tunnel | Ort des Geschehens

Ich nehme also wieder an Tempo auf und genau in diesem Moment - er ca. 20m vor mir - steht er auf und hangelt ein paar Schritte weiter. Mein eigener Pulsschlag ist deutlich zu hören, ich bekomme Angst und laufe noch schneller. Gerade als ich kurz vor ihm bin passiert das Unglaubliche. Er hockt sich wieder hin, entblößt seinen dreckigen Hintern und kackt mitten in den Tunnel!!! Ich kann es kaum fassen, bin total angewidert und beschließe die letzten Meter bis zum Tunnelausgang keine Luft mehr zu holen. Bei den Geräuschen und dem Anblick, kann man sich ausmalen, wie es riechen muss [ich selbst war an diesem Tag ja auch leicht verkatert und mein Magen deshalb etwas empfindlich]. Einfach nur ekelhaft.

Kopfschüttelnd und völlig erleichtert gehe ich wieder ans Tageslicht und schwöre mir, von jetzt an nie wieder durch diesen Tunnel zu gehen! Es ist wirklich traurig mit anzusehen, was Drogen und Alkohol alles kaputt machen können. Nachdem ich den ersten Schock verdaut und die Story einigen meiner Freunde erzählt habe, konnte ich aber auch darüber schmunzeln. Sowas passiert auch nur mir an einem Sonntagmittag in Chemnitz.

eure laurentia


1 Kommentar:

  1. Sehr schön und spannend geschrieben und klingt wie eine Gruselstory mitten in Chemnitz. Einfach genial :)

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